Warum Dogmatik die Einführung agiler Methoden erschwert

Ein Leitfaden für Agile-Anfänger

Agilität ist mehr als ein starres Rezept

Du hast bestimmt schon von agilen Methoden wie Scrum oder Kanban gehört. Agile Ansätze versprechen Flexibilität, schnellere Ergebnisse und bessere Zusammenarbeit im Team. Doch wenn Du versuchst, diese Methoden eins zu eins „nach Lehrbuch“ umzusetzen, kann genau diese Starrheit zum Stolperstein werden. Warum? Weil Agilität keine starre Dogmatik verträgt, sondern eine offene, anpassungsfähige Denkweise erfordert.

In diesem Artikel erfährst Du, warum ein dogmatischer Ansatz agile Methoden blockiert – und wie Du stattdessen Agilität wirklich leben kannst.

Was bedeutet Dogmatik in der agilen Praxis?

Dogmatik heisst, Regeln starr und ohne Hinterfragen zu befolgen. In der agilen Welt kann das folgendermassen aussehen:

  • Der Scrum Guide wird zum Gesetzbuch: Jedes Detail aus dem Scrum-Framework wird streng umgesetzt, selbst wenn es Deinem Team nicht hilft.
  • Keine Anpassung an die Teamdynamik: Wenn Dein Team eine Kanban-Tafel benutzt, aber strikt an jedem Arbeitsschritt festhält, egal ob dieser sinnvoll ist, verliert das Tool seine Stärke.
  • Agilität ohne Anpassungsfähigkeit: Man sagt zwar, „Inspect and Adapt“, doch viele Teams vergessen das „Adapt“ – sie halten an Methoden fest, die nicht mehr funktionieren.

Agile Methoden sind Werkzeuge, keine Dogmen

Laut Beck et al. (2001), den Begründern des agilen Manifests, ist „Menschen und Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge“. Agilität bedeutet nicht, ein Framework sklavisch zu befolgen, sondern die Prinzipien dahinter zu verstehen und anzuwenden.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Team versucht Scrum strikt umzusetzen. Es plant regelmässige Retrospektiven, Reviews und Daily Stand-ups. Doch die Meetings werden zur „Pflichtübung“ und fühlen sich leer an. Anstatt die Zeit zur Verbesserung zu nutzen, wird das Framework zum Selbstzweck. Hier wird Agilität durch Dogmatik ersetzt.

👉 Merke Dir: Agile Methoden wie Scrum oder Kanban sind flexible Werkzeuge. Sie müssen an Dein Team und Eure Herausforderungen angepasst werden – nicht andersherum.

Die Falle der Über-Dogmatisierung: Warum sie Teams bremst

Dogmatik kann aus verschiedenen Gründen in agile Teams einziehen:

  1. Mangelnde Erfahrung: Agile Neulinge halten sich oft an die Regeln, weil sie Sicherheit bieten. Das ist verständlich, aber langfristig hinderlich.
  2. Angst vor Fehlern: Fehler sind im agilen Arbeiten wertvoll, denn sie zeigen, was verbessert werden kann. Dogmatik verhindert diese Offenheit.
  3. Zertifizierungswahn: Wer agile Methoden „zertifiziert“ lernt, bekommt oft den Eindruck, dass es nur eine richtige Umsetzung gibt.

Eine Studie von Rigby, Sutherland und Takeuchi (2016) zeigt, dass erfolgreiche agile Teams iterativ arbeiten, anstatt Regeln blind zu folgen. Diese Teams erlauben sich, Experimente zu wagen und Fehltritte als Lernschritte zu sehen.

Wie Du Dogmatik in Deinem Team erkennst

Frage Dich oder Dein Team:

  1. Erfüllen wir agile Rituale nur der Form halber?
    Beispiel: Tägliche Stand-ups, die ohne echten Austausch ablaufen.
  2. Passen wir unsere Methoden an unsere Probleme an?
    Beispiel: Brauchen wir wirklich eine zweiwöchige Sprint-Planung, wenn ein kürzerer Zyklus besser funktionieren würde?
  3. Fühlen wir uns durch Frameworks eingeschränkt?
    Agilität soll Dein Team befähigen, nicht einschränken.

Wie Du wirklich agil wirst: Praktische Tipps

  1. Verstehe die agilen Prinzipien
    Lerne die Werte des agilen Manifests und die zugrunde liegende Denkweise kennen. Regeln sind Hilfsmittel, keine Gesetze.
  2. Beginne klein und einfach
    Starte mit dem, was Deinem Team hilft. Statt Scrum vollständig umzusetzen, probiert Ihr vielleicht nur ein Kanban-Board oder eine kürzere Sprint-Planung aus.
  3. Hinterfrage, was nicht funktioniert
    Agilität bedeutet stetige Verbesserung. Wenn ein Meeting oder Prozess nicht hilft, passt ihn an oder lasst ihn weg.
  4. Fördert Transparenz und Reflexion
    Nutzt Retrospektiven, um ehrlich zu diskutieren, was gut läuft und was nicht – ohne dogmatischen Blick auf „das richtige Framework“.
  5. Experimentiert ohne Angst
    Erlaubt Euch, Neues auszuprobieren. Fehler sind keine Katastrophe, sondern Lernchancen.

Agilität ist eine Haltung, keine Checkliste

Wenn Du agile Methoden im Team umsetzen möchtest, vergiss nicht: Agilität ist keine sture Checkliste. Sie ist eine Haltung, die von Offenheit, Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft lebt. Tools wie Scrum und Kanban sind wertvolle Helfer, solange sie Deinem Team nutzen.

Dogmatik hingegen führt dazu, dass Du die Methoden um der Methoden willen umsetzt – und genau das bremst den agilen Erfolg.

Dein Take-away: Verstehe die agilen Prinzipien, probiere aus, was für Dein Team funktioniert, und sei mutig genug, den „agilen Weg“ selbst zu gestalten.

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Literatur

  • Beck, K. et al. (2001). Manifesto for Agile Software Development. Verfügbar unter https://agilemanifesto.org
  • Rigby, D. K., Sutherland, J., & Takeuchi, H. (2016). Embracing Agile. Harvard Business Review, 94(5), 40–50.

Autor

Der Fachschaftsrat des IFP Basel, 17.12.2024